Die kürzlich vom Deutschen Bundesverfassungsgericht getroffene Entscheidung hinsichtlich der Möglichkeiten eines Assistierten Suizids ist auch aus österreichischer Sicht ebenso bemerkenswert wie beunruhigend:

Das Bundesverfassungsgericht hat das im § 217 Strafgesetzbuch geregelte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. In der Urteilsbegründung wird ausdrücklich auf ein „Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben“ verwiesen, welches ebenso das Recht auf Selbsttötung wie das Recht, sich hierfür der Hilfe Dritter zu bedienen, einschließe.
Die bisherige Rechtsauffassung, dass der Mensch weder über die eigene Menschenwürde noch über Menschenleben verfügen könne und auch der Suizidwunsch als Gefährdung der Würde und des Lebens anzusehen sei, wurde mit diesem folgenschweren Richterspruch definitiv ad acta gelegt.
In Österreich sind sowohl die Tötung auf Verlangen als auch die Beihilfe zum Selbstmord strafrechtlich verboten. Aber auch hierzulande wird die Freigabe des assistierten Suizids durch Prozesse vor dem Österreichischen Verfassungsgerichtshof angestrebt: Derzeit sind vor dem VGH vier Verfahren anhängig, deren Antragsteller – finanziert durch den Schweizer Sterbehilfeverein Dignitas – die Möglichkeit eines „sicheren, schmerzlosen, ärztlich assistierten Suizids“ in Österreich einzufordern versuchen. Die Argumentation: Es widerspreche dem „Recht auf Selbstbestimmung“, jemanden durch „Umstände oder Situationen“ zu zwingen oder ihn „in Leidenszuständen gefangen zu halten, die er als unmenschlich und entwürdigend empfindet“. Ein Urteil wird noch vor dem Sommer 2020 erwartet.

Im Jahr 2002 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil fest, dass die Europäische Menschenrechtskonvention kein Recht auf aktive Sterbehilfe garantiere. „Das Recht auf Leben (…) verbiete es einem Staat, (…) jemanden vorsätzlich zu töten. Auch lasse sich aus dem Recht auf Leben weder ein diametral entgegengesetztes Recht auf Sterben ableiten, noch ein Recht auf Selbstbestimmung in dem Sinn, dass jedem Individuum das Anrecht gibt, eher den Tod als das Leben zu wählen.“
Dementsprechend hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres, vor wenigen Monaten aktiver Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid eine klare Absage erteilt. Kein Mensch habe das Recht, andere „aktiv in den Tod zu befördern, auch Ärzte nicht“. Laut Szekeres teile eine Mehrheit der österreichischen Ärzteschaft diese Meinung.
Im Oktober 2019 bekräftigte der Weltärztebund (World Medical Association, WMA) erneut seine ablehnende Haltung gegenüber Tötung auf Verlangen und der ärztlichen Beihilfe zur Selbsttötung und forderte höchsten Respekt vor dem menschlichen Leben – ein klares Bekenntnis zu den Grundsätzen ärztlicher Ethik.
Das Salzburger Ärzteforum für das Leben schließt sich der Argumentation des Österreichischen Ärztekammerpräsidenten und des Weltärztebundes vollinhaltlich an.

Wer die Zulassung von Tötung unter bestimmten Bedingungen einführt, setzt eine gefährliche, nicht kontrollierbare Entwicklung in Gang: Der Beihilfe zur Selbsttötung folgt die Zulassung der Tötung auf Verlangen und in weiterer Folge auch die Tötung ohne ausdrückliches Verlangen der Person (z.B. bei Demenzpatienten). Dieses Szenario der schrittweisen Legalisierung und deren Folgen sind aus den Niederlanden und Belgien hinreichend bekannt.
Dem Grundrecht auf Leben und Bewahrung der Würde ist folgerichtig ein Recht auf würdiges Sterben und Achtung der Autonomie jedes Menschen abzuleiten. Aus unserer Sicht bedeutet „Würdiges Sterben“, in dieser letzten Lebensphase durch ebenso menschlichen wie kompetenten medizinischen Beistand, einfühlsame und professionelle Pflege und seelische Betreuung in der Bewältigung von körperlichem und seelischem Leid, Pflegebedürftigkeit, Angst oder Depression getragen und begleitet zu werden. Diese ureigenste ärztliche und pflegerische Aufgabe ist durch die rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Palliativbetreuung einschließlich suffizienter Schmerztherapie) in vollem Umfang möglich – diesbezüglich bedarf es keiner rechtlichen Adaptierung.
Eben dieses Angebot gelebter Menschlichkeit und Solidarität wird dem Patienten durch legalisierte Selbst- oder Fremdtötung in Wahrheit vorenthalten.

Aus diesem Verständnis von ganzheitlicher Sterbebegleitung kann und darf weder ein Recht noch die Pflicht des Arztes zur Mithilfe oder Tötung seiner Patienten abgeleitet werden.

Dr. Florian Baumgartner
Dr. Ursula-Maria Fürst
Dr. Constantin Gudenus
Dr. Johannes Spenger
Mag. Camilla Tüchler
Dr. Nicholas Waldstein
Dr. Christian Windhofer